Offener Brief von Hans-Rudolf Winkelmann

Hans-Rudolf Winkelmann, Fachmann für Altersarbeit

Vorbemerkungen:
Dieser Offene Brief wurde am 14. März 2018 im Tagblatt der Stadt Zürich unter der Rubrik "Zürich-Echo - Lesermeinungen" publiziert.
Ich erkläre mich damit einverstanden. 
Fettgedruckte Stellen stammen von mir.

Hans-Rudolf Winkelmann-Egger
Hürstringstrasse 11, 8046 Zürich, hrwinkelmann@goldnet.ch

Offener Brief an den Stadtrat von Zürich

Nachdem ein fast gleichlautender persönlicher Brief vor 8 Jahren von der zuständigen Stadträtin nicht einmal beantwortet worden war, habe ich mich nun als 75-Jähriger entschlossen, dem Stadtrat einen offenen Brief zuzustellen. (Gesundheits- und Umweltdepartement, Parteien, Tages-Anzeiger, NZZ)

Zürich, 5. März 2017

Alterspolitik in der Stadt Zürich

Sehr geehrte Frau Stadträtin/Sehr geehrter Herr Stadtrat

Als ehemalige Heimleitung der Stadt Zürich, Leitung Zentralstelle Spitex der Stadt Zürich und langjähriger Berater und Ausbildner in Altersarbeit erlaube ich mir, Ihnen meine Anregungen bezüglich Arbeit für und mit alten Menschen in der Stadt Zürich, offen darzulegen.

Aus meiner Sicht muss die ganze Organisationsstruktur der städtischen Altersarbeit kritisch hinterfragt werden. Altersheime (es sind eben keine Alterszentren!), Pflegezentren, Alterswohnungen und Spitex-Dienste werden isoliert und zentral geführt. Aus meiner ganz persönlichen Sicht sollte geprüft werden, ob nicht wirkliche Alterszentren in den Quartieren mit Pflegewohngruppen, Altersheimplätzen, Alterswohnungen, Spitexstützpunkt und weiteren Diensten (z.B. Nachbarschaftshilfe oder kirchliche Sozialhilfe) eine mögliche Alternative wären.

Bei flexiblen Alterszentren erübrigt sich die Trennung zwischen Wohnungen, Altersheim und Pflegeeinrichtung, da dieses sich den Bedürfnissen von alten Menschen anpasst und nicht umgekehrt. Leider wurde dieser Aspekt bei den geplanten Sanierungs- und Neubauten von sogenannten Alterszentren, die konzeptionell einfach weiterhin den traditionellen städtischen Altersheimen aus den 70-er Jahren entsprechen, überhaupt nicht beachtet.

Sehr bedaure ich, dass es uns in der Stadt Zürich nicht gelungen ist eine schlagkräftige Alterslobby aufzubauen. Alte Menschen sind gesellschaftlich und politisch noch wenig präsent. Es müsste geprüft werden wie das Können und Wissen, ich habe mich beispiels-weise als unentgeltlicher Fachberater für die unabhängige Beschwerdestelle für das Alter zur Verfügung gestellt, in der Altersarbeit und auch in übrigen Bereichen verstärkt genutzt werden könnte. So wäre beispielsweise ein Altersrat mit entsprechenden Kompetenzen und Pflichten sicherlich ein interessanter Bestandteil einer künftigen städtischen Alterspolitik.

Die künftige Altersarbeit muss nicht mehr weiter nur für, sondern auch mit den alten Menschen entwickelt werden.

Für die Stadt Zürich sollte geprüft werden, ob nicht ein eigentliches Demenzzentrum, mit allen Dienstleistungen für Angehörige und Betroffene in den Bereichen Abklärung, Begleitung, Betreuung und Pflege (offen, ambulant, halbambulant und stationär), notwendig ist. Dazu würde auch die Förderung und Schulung des entsprechenden Personals gehören.

Hier müsste die Stadt zumindest eine Koordinationsfunktion übernehmen und Dienste bei den Pflegezentren, Alterszentren, Akutgeriatrie, universitäre Psychiatrie, Alzheimervereinigung, Spitex und weiterer Anbieter koordinieren und bündeln.

Aus meiner langjährigen Sicht ist die Demenzarbeit eine sehr grosse Herausforderung.

Der Schulungsaspekt ist für mich ein weiterer Schwerpunkt für die künftige Altersarbeit in der Stadt Zürich. Nicht zuletzt sollten Schulungs- und Bildungsangebote für lebenserfahrene Frauen und Männer realisiert werden. Neben den eigentlichen Lehren für Jugendliche (FAGE und FABE) sehe ich in diesem Segment noch Möglichkeiten um dem sich abzeichnenden Personalnotstand entgegen zu treten.

Die Stadt Zürich als Arbeitgeber von so zahlreichen
Alterseinrichtungen muss auch in der Schulungsfragen eine viel aktivere Rolle übernehmen.
Die jetzigen, teilweise ungenügenden Stellenpläne und schwierigen Arbeitssituationen sind unbedingt so anzupassen, dass wir auch künftig genügend qualifiziertes Personal in den Betreuungs- und Pflegefeldern rekrutieren und beschäftigen können.

Was ich im Verlauf der letzten Jahre und Jahrzehnten besonders bedaure, ist die Tatsache, dass das Personal viel zu stark mit administrativen Arbeiten belastet wird. Zeit, die ja schlussendlich beim alten Menschen in unseren Institutionen fehlt. Hier wäre aus meiner Sicht eine „Ausmistete“ von Vorschriften und Regelungen, mindestens auf der Ebene der Stadt Zürich überfällig.

Möglicherweise müsste in diesem Zusammenhang sogar geprüft werden, ob die jetzigen Pflege- und Alterszentren aus der Verwaltung ausgegliedert und in eine öffentlich-rechtliche Stiftung (analog den Alterswohnungen mit einer eigener Rechtspersönlichkeit und eigener Rechnung) überführt werden müssten.

Mit den besten Grüssen und Wünschen

Hans-Rudolf Winkelmann, 
alt Kantonsrat LdU