Glosse 108

Autor Alexander Hoffmann

Rotary Club Redliwil
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Dieser Schweizer Rotary Club ist frei erfunden.

Glosse 108: 
"Zürcher Verhältnisse"

Autor: Rot. Alexander Hoffmann

Präsident Georges Bräker atmete durch. Nach grossen Mühen war es ihm endlich gelungen, den Vorstand für das neue rotarische Jahr komplett zu besetzen. «Einige Mitglieder musste ich zum Jagen tragen, ehe sie sich engagierten», seufzte er im Meeting.

«Wir brauchen im Club Zürcher Verhältnisse», meinte dazu Moritz Hürlimann, ein Rotarier alter Schule, dessen Klagen über den allgemeinen Niedergang bei Rotary gefürchtet waren.

«Wie bitte?»

«Ich las kürzlich einen Bericht darüber, wie es in den 1920er Jahren beim RC Zürich zuging. Ein sehr nobler Club übrigens, eine Zierde unserer Gemeinschaft», erwiderte Hürlimann. Bräker vertiefte sich in die Abhandlung, die auf historischen Wochenberichten basierte und war sehr angetan. So bewarben sich in Zürich zeitweise zwei Drittel aller Mitglieder um einen Sitz im Vorstand – die mit den meisten Stimmen erhielten dann die begehrten Ämter. Streng waren die Präsenzregeln. Wer ein Meeting versäumte, musste sich schriftlich unter Angaben der Gründe entschuldigen. Wer unentschuldigt fernblieb, wurde namentlich im Wochenbrief genannt.

Bräker ernannte Hürlimann zum «Zürich-Beauftragten» mit der Vollmacht, ein paar der alten Gepflogenheiten wieder einzuführen: «Fege mal im RC Redliwil so richtig durch.» Hürlimann fegte, die Präsenzen stiegen fulminant.

Angesichts dieser erfreulichen Entwicklung machte sich Bräker entspannt auf zu seinen Sommerferien am Lago Maggiore. Kaum sass er vor seinem Apéro auf der Uferpromenade in Ascona, als sein Smartphone summte.

«Wo bist Du?», bellte Hürlimann ins Telefon.

«In Ascona, in den wohlverdienten Ferien, lieber Moritz. »

«So geht das aber nicht, Herr Präsident!», monierte Hürlimann.

«Was geht nicht?»

«Dass Du einfach so in die Ferien fährst und dann verstummst. Du hast offenbar das Dokument aus Zürich nicht komplett gelesen. In der guten, alten Zeit waren Vorstandsmitglieder strikt gehalten, auch im Urlaub Verbindung mit dem Club zu halten. Lese bitte mal nach, wie damals der Clubsekretär einen Präsidenten in den Senkel stellte – der hatte eine Woche lang aus seinem Ferienort St. Moritz nichts von sich hören lassen.»

Bräker erschrak, gelobte Besserung und meldete sich fortan täglich nach dem Morgenessen bei Hürlimann ab, abends folgte ein ausführlicher Rapport über seine Ausflüge rund um den Lago Maggiore.

Nach der Rückkehr studierte er erneut den Bericht aus Zürich. Ein wirklich bemerkenswerter Club, der früh auch weibliche Referenten einlud. Einmal jedoch war das nicht von Erfolg gekrönt, denn das Bulletin des RC Zürich verzeichnete: «Heute hätte Greta Garbo über ihren Beruf sprechen sollen. Sie ist aber nicht erschienen.»

Clubsekretär Hans Tgetgel meinte erleichtert: «Wenigstens in dieser Hinsicht sind wir auf Augenhöhe mit dem RC Zürich. Wir hatten mal Beatrice Egli eingeladen. Die erschien auch nicht.»