Miteinander reden ist besser als Medizin!

Blick in unser 2-Zimmer-Appartment

30 Wochen in der Herzogenmühle
Bericht von Erich Gerber beim Männerstamm
Zürich, 11. Mai 2020

 «Miteinander reden ist besser als Medizin!»
(Zitat unserer Pflegerin Sadiku)

Lieber Heinz
Liebe Männerfreunde

MERCI VIELMAL, dass Ihr kommt und mitmacht! Wir sind sieben! Ihr wisst ja, dass wir im Ganzen «nur» 11 Männer sind, die hier im Zentrum leben (auf total 79 Mitbewohnende).

Ich möchte Euch jetzt auf möglichst kurzweilige Weise berichten, wie meine Frau Susy und ich die letzten 30 Wochen erlebt haben, seitdem wir am vergangenen 10. Oktober hier eingezogen sind. Ja, das war vor ziemlich genau 30 Wochen! Die Zeit geht gefühlsmässig schnell vorbei: Heute ist wieder Montag…
(Geht es Euch auch so!?)

Das Wichtigste möchte ich gleich vorwegnehmen: Susy und ich sind fest überzeugt und sagen es überall, dass unser Alterszentrum Herzogenmühle zu den besten aller 23 städtischen Alterszentren gehört. 
«Mir möchte niene anders sy!»
(Meine Frau ist gerade bei der Podologin, sonst wäre sie jetzt hier auch dabei.)

Wie Ihr wisst, befindet sich unser Gebäude in Sichtweite vom Schwamendinger-platz. Direkt vor unserem Haus ist die Busstation Herzogenmühlestrasse.  Das ist sehr «gäbig», um in beide Richtungen wegzufahren.

Vom Balkon im 2. Stock aus sehen wir weit ins Grüne, mit herrlicher Abendsonne!

Am 1. Oktober 2019 haben wir bei der Leitung die Schlüssel gefasst, haben die nötigen Instruktionen erhalten und sind dann im 2-Zimmer-Appartment 230 eingezogen.
Unsere charmante Gotte ist Frau Erika Berger, die wir schon in der Oekumenischen Gruppe der reformierten Kirche näher kennengelernt haben.

In der gegenwärtigen Coronasituation kann ich mir nicht vorstellen, was mit uns geschehen wäre, wenn wir beide in unserer früheren 7-Zimmerwohnung an der Stettbachstrasse 75 geblieben wären…

Wie wir diese Wohnung im 1. Stock mit vielen Wandschränken, Estrich, Keller und Garage nach 37 Jahren geräumt haben, ist eine ganz besondere Geschichte. Kurz: Das ist mit starker Hilfe unserer Familie schliesslich sehr gut gelungen, auch dank dem Blauen Kreuz Dübendorf, das gegen Bezahlung selber viel angeschafft und am Schluss den Rest entsorgt hat.

Unsere Jungen haben uns stark geholfen!
Schon vorher haben uns die beiden rund 60-jährigen «Kinder» beim Planen, bei der Beschaffung von Möbeln und weiteren Gegenständen für die Einrichtung unserer Wohnung unschätzbare Dienste geleistet. Verschiedene Pläne für unsere zwei Zimmer wurden entwickelt und aufgezeichnet.
Welche Möbel
nehmen wir mit und wo stellen wir sie am besten auf?

Helen Gerber und Brida Hediger haben ein Küchenmöbel mit kleinem Kühlschrank bei Ikea geholt und bei Pfister ein grosses Kleidermöbel für das Schlafzimmer gefunden. Werni Hediger hat dort eine wunderschöne weisse Lampe montiert.

Aber wo hat es am besten Platz für mein Büro? Das war eine andere Frage.
Es passt sehr gut in die Ecke vor dem Badezimmer.

Unser Sohn Patty hat das Telefon eingerichtet und dafür gesorgt, dass wir für einige Zeit die frühere Nummer behalten können, bis man die neue Nummer 044 414 34 15 gut kennt. Unser Enkel Andrin hat einen neuen PC All in One angeschafft und installiert. Alle wichtigen früheren Daten hätte ich selber nicht auf den neuen Apparat übertragen können wie z.B.Hunderte von Kontakten und Adressen. Das funktioniert jetzt sehr gut.

Herr Rolf Brüsse hat als erfahrener Hauswart die Technik installiert und alle Bilder montiert. Ein benachbarter Schreiner hat unser Büchergestell zuhause genau ausgemessen und im Wohnzimmer perfekt montiert. Wenn wir die Wohnung betreten, erinnert uns diese Wand sogleich an früher. Unsere neue Wohnung gefällt uns sehr gut, wir fühlen uns hier schon wie zuhause.

Zu den Kosten:
Pro Monat bezahlen wir hier im Zentrum für uns beide im 2-Zimmer-Appartment bei voller Pension, Betreuung, Teilpflege und Nebenleistungen total rund CHF 8'200.- (via Lastverfahren bei der Bank).

Zum Notknopf
Wenn meine Frau alleine in der Wohnung ist, trägt sie für alle Fälle diesen Notknopf, der aber nur innerhalb unserer Wohnung wirkt. Eines Morgens, als meine Frau hinter mir aus dem Badezimmer trat, ist sie auf die Knie und dann auf den Boden gefallen.

Als der Notknopf nicht richtig funktionierte, bin ich ins Treppenhaus hinaus und habe so laut wie möglich mehrmals NOTFALL- HILFE! in die noch leere grosse Halle gerufen. Unten sah ich einen Mann in blauen Kleidern aus einem Raum treten. Ich kannte REMO schon mit seinem Namen und habe ihm gerufen, herauf zu kommen und mir zu helfen. Das hat er sofort getan. Wir haben meine Frau zusammen aufs Bett getragen. Später ist der auswärtige Notfallarzt vorbeigekommen.

Liebe anwesende Männer
 
Unser Alltag gliedert sich in Wochen (nicht in Monaten!),
die dank dem reichhaltigen Programm für die meisten (wie schon gesagt) rasch verlaufen: es wird immer wieder Sonntag - über die wöchentliche Wohnungs-reinigung am Donnerstagmittag (während des Essens!), die Wäsche, die am Sonntagvormittag in blauen Säcken abgeholt und am Donnerstagmorgen aufs Bett gelegt wird.

Alle 3 Wochen wird unsere Bettwäsche gewechselt. Sogar beim feinen Essen gibt es traditionelle Reihenfolgen, mit dem Fisch am Freitag und den beliebten Spaghettis am Montag und so weiter.

Sehr wichtig und nötig ist für uns alle die persönliche Kommunikation.
Alle MitbewohnerInnen können telefonieren und im Zimmer angerufen werden. Etwas vom ALLERWICHIGSTEN ist aber unser Reden miteinander, vor allem für jene Mitmenschen, die alleine sind (manchmal schon seit sehr langer Zeit.)

Liebe Männer

Was könnten wir zusätzlich zu diesem Stamm noch miteinander unternehmen, damit wir uns noch besser kennen?

Gerne denke ich zurück an das erste Gespräch, das ich am ersten Tag um 10 Uhr im Lift hatte. Ich betrat den Lift und grüsste eine Frau, die mit ihrem Rollator schon drinnen stand. Ich nannte ihr meinen Namen, sagte, dass ich heute eingetreten sei. Sie antwortete prompt, dass sie Maria Friedli heisse und schon seit 18 Jahren hier im Zentrum lebe.  Die ersten 8 Jahre mit ihrem Mann, seither alleine.

Wenn ich am Anfang als neuer Mitbewohner ein gut lesbares Schild mit meinem Vornamen getragen hätte, hätte Frau Friedli aus anderthalb Metern Distanz sofort gesehen, dass ich zu den Neuen gehöre. Vielleicht wüsste sie meinen Vornamen ERICH noch heute…

Ich stelle unserem Stamm hiermit den ANTRAG zuhanden der Leitung, dass neue MitbewohnerInnen – wenn sie damit einverstanden sind - in den ersten drei Monaten ein gut lesbares Schild mit ihrem Vornamen tragen.

Es gibt aber noch modernere Kommunikationsmittel. Ich denke an das System SKYPE, mit dem wir über den Bildschirm fast jeden Tag mit unserer Tochter Brida und mit andern Personen auf direkte, lebendige Weise mit viel Spass und Freude verkehren. Man sieht sich und spricht miteinander von ganz nahem.

Um die wichtigen persönlichen Kontakte untereinander weiter zu verbessern, möchte ich jetzt meinen früheren Vorschlag wiederholen: In der Mitte des Speisesaals einen Kontakttisch einzurichten, wo man beim normalen Menü andere MitbewohnerInnen persönlich kennenlernen kann.
Dieser GRUEZI-Tisch könnte zum Beispiel alle 3 Monate gewechselt werden (für alle, die mitmachen wollen).

Wichtig und nötig ist, dass wir einander gut kennen und bei manchen Gelegenheiten miteinander reden (drinnen und draussen – überall!)
Frau Sadiku hat wirklich Recht, wenn sie sagt:
«Miteinander reden ist besser als Medizin!»

Meine Frau braucht persönliche Therapien
Gegen ihre Aphasiekrankheit (nach dem Hirnschlag) ist meine Frau Susy auf verschiedene Therapien angewiesen, in Logopädie, Ergotherapie und Physio-therapie. Sie muss ihre Sprache neu lernen, was viel Anstrengung und Geduld erfordert. Meine Frau macht jeden Tag gute Fortschritte, was uns alle sehr freut.

Früher kamen die Therapeutinnen für die Behandlung direkt in unsere Wohnung. Für die Physio ging meine Frau damals per Bus und Tram 7 zum City-institut Probstei. Das brauchen wir jetzt nicht mehr:
Seit letztem Montag kann meine Frau dank der Verordnung unseres Hausarztes ebenfalls hier im Haus zu Frau Sarah Häni in die Physio. Am Montagmorgen sind wir nun beide dort. Und es tut uns wirklich gut! Auch die beiden Hometrainer brauchen wir oft (oft treffen wir dort unseren Heinz!)

Dank einem neuen Zoomsystem kann unsere erfahrene Logopädin Frau Marsha Mayer einmal pro Woche ihre Therapie während einer Stunde online über den Bildschirm machen. Das läuft sehr gut, auch dank den Arbeitsblättern, die sie uns zum voraus per Mail zuschickt und die wir zusammen vorbereiten können.

Jetzt noch einige Punkte, die ich jetzt nicht vergessen möchte:
Susy’s Adressbuch und Agenda sind absolut «GOLDWERT»!

In ihrem roten Büchlein hat Susy auch alle wichtigen Geburtstage in unserem Familien- und Bekanntenkreis notiert. 

Meine Frau und ich sind Gotte und Götti von Martha Aubert.

Wir schätzen die ökumenischen Andachten unserer Pfarrpersonen.
Als die erste wegen Corona ausfiel, haben wir am Donnerstag um halb zehn im kleinen Kreis selber eine Andacht durchgeführt.

Bis Ende Juni wurden jeden Donnerstag um 11.15 Uhr im grossen Saal online Gottesdienste aus den Kirchen St. Gallus und Alte Kirche Schwamendingen gesendet.

Gerne denken wir auch an das wunderschöne Geburtstagskonzert von zwei Enkelinnen für ihre Grossmutter Frau Wandel zurück.

Jeden Tag kommt um 07.15 Uhr eine Pflegerin vorbei, um die Stützstrümpfe meiner Frau anzuziehen. An Abend ziehe ich diese Strümpfe wieder aus…l

Ich bin dankbar, dass meine Frau und ich bei den Mahlzeiten im Kafi zusammen mit Martha Aubert und Hildegard Angehrn sein können. 
Cornflakes habe ich gern zum Zmorge!

Brida und Helen haben für ihre grossartigen Leistungen in dieser langen Zeit das persönliche Geschenk von meiner Frau höchst verdient.

Liebe Anwesende

Jetzt komme ich zu den Hauptpunkten meines Berichtes:

1. Das Allerwichtigste und Beste, was meine Frau und ich in den vergangenen 30 Wochen hier erlebt, genossen und deshalb geschätzt haben, ist die HERZLICHKEIT, die bei uns herrscht, zwischen allen Menschen, die hier wirken und leben, vom ersten bis zum letzten Moment jeden Tages. Das ist enorm wichtig und für uns fast einzigartig!

Jederzeit und überall im Haus werden wir beim Begegnen von allen Mitarbeitenden freundlich angeschaut und gegrüsst. So lebt unser Haus von guten persönlichen Kontakten. Das ist besonders für jene MitbewohnerInnen nötig und wichtig, die alleine sind.

2. Die kompetente, jederzeit gut ansprechbare Leitung. Dass sie es fertigbringt, uns bis heute vor dem Coronavirus zu bewahren.

3. Das hervorragende, gesunde Essen (mit wählbarem Menü und gewünschter Portion) und die professionelle Bedienung: «War es gut / genug?
Unser Birchermüesli verdient einen EUROPA-PREIS!

4. Der perfekte Wäschedienst, der unsere Wäsche am Sonntag früh in den blauen Säcken im Gang einsammelt und am Donnerstagmorgen perfekt gewaschen, gebügelt und zusammengelegt zurück aufs Bett legt. Das ist fast unschätzbar!

5. Die tüchtige Wohnungsreinigung, die beim uns jeden Donnerstagmittag sogar während des Mittagessens vorgenommen wird.

6. Der sehr gute, persönliche Pflegedienst. Auch dass so viele Rollatoren und Rollstühle zur Verfügung stehen und allen bis ins Zimmer geholfen wird.

Wir danken der charmanten Pflegerin Sadiku, dass Sie meine Frau und mich (in Masken) in den vergangenen Tagen zweimal zum Hausarzt nach Wallisellen begleitet hat.

7. Das breite Angebot an Programmen, das uns gruppenweise zum Beispiel zum Turnen und Singen zusammenbringt, beziehungsweise am Nachmittag beliebte frühere Filme erleben lässt. Ferner erwähne ich gerne das Gedächtnistraining, den Gartenclub, die Dekogruppe, das Schreibstübli mit Melanie, die Allegra Italia mit Heinz Engeli und den Kunstclub mit Marius. Alle sind herzlich zum Mitmachen eingeladen!

Dass eine Coiffeuse vorhanden ist, die meine Haare ebenfalls sehr gut geschnitten hat sowie eine Podologin.
Neben der Coiffure stehen 2 Hometrainer, die wir recht oft selber brauchen.
In 15 Minuten komme ich rund 5 Kilometer weit!

8. Das gesunde Gratiswasser, das wir nach Bedarf in den Gängen holen und in den Zimmern konsumieren können.

9. Das öffentliche Kafi als Ort für persönliche Kontakte.

10. Der wunderschöne grosse Innenhof, der von Bäumen umrahmt ist und sich zum rundum Bummeln, zusammensitzen und reden sehr gut eignet.

Am Muttertag hat hier ein wunderbares Livekonzert mit Richard Müller stattgefunden.

Zum Schluss möchte ich ein Mahnwort meines rotarischen Freundes Reto Fritz zitieren, das sehr gut zur jetzigen Coronasituation passt:

 «Geniessen wir, was immer noch sein darf,
freuen wir uns über alles, was uns neu bereichert,
und finden wir uns mit allem ab, was wir nicht ändern können.»

Erich Gerber (88)